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Eine Kindheit in Japan

Die meisten japanischen Fahrzeughersteller haben ganz anders angefangen : Toyota und Suzuki bauten Webstühle, Yamaha Musikinstrumente, Mitsubishi betrieb eine Schiffahrtslinie, Mazda veredelte Kork und Subaru fing als Flugzeugbauer an - nur Honda nicht. Soichiro Honda, Jahrgang 1906, war schon immer ein Maschinenverrückter : "Ich habe niemals einen anderen Ehrgeiz gehabt als die Beschäftigung mit Maschinen, die ich steuern, erfinden und mit denen ich leben wollte."

Honda wuchs in einem landwirtschaftlich geprägten Land auf, in vielem rückständig, aber mit einem ungeheuren Ehrgeiz, den Rückstand gegenüber dem Westen wettzumachen - und das mit Riesenschritten.

1872 verkehrte die erste Eisenbahn zwischen Tokio und Yokohama. In Tokio entstanden die erste Gebäude aus Ziegelstein, und 1899 eröffnete die erste Stehbierhalle. Im Januar 1901 ging die Yahata Steel Mill, Japans erster Stahlkocher, in Betrieb; aufgebaut und geleitet vom deutschen Ingenieur Gustav Toppe, der doppelt soviel verdiente wie der japanische Ministerpräsident. Dank imperialistischer Ellenbogenmentalität drängelte und schubste sich Japan zwischen die westlichen Großmächte. Erstmals übte Japan im Boxeraufstand kurz nach der Jahrhundertwende den militärischen Schulterschuß mit dem Westen und drei Jahre später erteilte die kaiserliche Marine dem zaristischen Rußland eine empfindliche Niederlage - kein Zweifel, im Reich der aufgehenden Sonne ging wirklich die Sonne auf.

Bereits 1907 litt Japan allerdings unter der schweren Rezession, der Krieg mit Rußland hatte viel Geld gekostet, die Steuern waren hoch, die Wirtschaft stagnierte. Vielen tausend japanischen Bauern ging es so wie Hideshiro Fujisawa, der vom Reisanbau nicht mehr leben konnte und im Winter mit Frau und Tochter nach Tokio zog. Er verdingte sich als Anstreicher. Ein paar Jahre später sah es schon wieder ganz anders aus, überall gab es gewaltige Fortschritte - auch auf dem Land.

Gihei Honda, Schmied im 500-Seelen-Dorf Komyo, 20 KM von Hamamatsu entfernt, sattelte um und eröffnete eine Fahrrad-Handlung samt Reparaturwerkstatt. Söhnchen Soichiro war zu dieser Zeit neun Jahre alt und ging zur Schule - mit beträchtlichem Widerwillen. Der Lehrstoff interessierte ihn herzlich wenig. Nur Mathematik, Zeichnen und Singen waren seine Lieblingsfächer. Sein erstaunliches handwerkliches Geschick waren im Unterricht überhaupt nicht gefragt, oder nur indirekt : Keiner fälschte so perfekt die Familiensiegel ( in Japan so gut wie eine Unterschrift ) wie er. Das hatte den Vorteil, dem Vater das miserable Zeugnis nicht vorlegen zu müssen. Die Sache flog allerdings recht bald auf. Honda hatte ein paar Schulkameraden auf die gleiche Weise mit deren Siegeln versehen, allerdings dort bei der Umsetzung in Spiegelschrift einige dumme Fehler gemacht. Konsequenzen hatte dieser Streich aber nicht, wie so oft : "Ich wurde regelmäßig zur Rede gestellt, aber aus Gewohnheit hatte es mir niemand übel genommen."  

Die ersten Schritte auf dem Weg nach oben

Gegen den Widerstand seiner Eltern, brach Honda mit nur fünfzehn Jahren 1922 die Schule ab und bewarb sich bei den Shokai-Werkstätten, Gesellschaft für Autotechnik. Als einer der wenigen Betriebe in Tokio, genoß seine neue Lehrwerkstatt einen ausgezeichneten Ruf und an manchen Tagen sah Honda bis zu 100 Autos. Für Motorräder konnte er sich anfangs nicht erwärmen.

"Vom ersten Motorrad, das in unserem Dorf auftauchte, war ich enttäuscht. Im Grunde fühlte ich mich nicht berufen, die unförmigen Zweiräder, die ziemlich schmutzig und unbeholfen wirkten, zu fahren." 

Den Jüngling mit der fixen Idee - "ich wollte Maschinen erfinden, mich mit Maschinenöl und Fett vollschmieren" - wollte sein Chef überhaupt nicht an die wertvollen Wagen der Kundschaft lassen. So spielte Honda zunächst nur den Babysitter. Mit dem Baby auf dem Rücken maschierte er durch die Werkstatt und steckte seine Nase unentwegt unter jede Motorhaube. Als er nach einem halben Jahr erstmals den Blaumann anziehen durfte, kamen ihm diese unschätzbaren Erfahrungen sehr zugute. 

Unmittelbar nach dem ersten Weltkrieg ging es mit Japan steil bergauf, die Volkswirtschaft verfünffachte sich und auch der Ex-Anstreicher Hideshiro Fujisawa - Vater eines Sohnes mit Namen Takeo - profitierte davon. Er produzierte Werbespots, die als Pausenfüller während der seit 1897 existierenden Kinovorführungen dienten. Allerdings hielt dieser Boom nicht lange an. Der erste Vorbote eines sich anbahnenden ökonomischen Desasters war das große Erdbeben von 1923.  

In dem Moment, da halb Japan am Herd stand um den Mittagsreis zu kochen, um zwei Minuten vor zwölf am ersten September, erwischte das Beben mit einer Stärke von 7,9 auf der Richterskala die unglückliche Nation. Wie Kartenhäuser stürzten die leichten Holzhäuser zusammen, Feuer brach aus und rund 100 000 Menschen verloren in Tokio ihr Leben. In Yokohama starben etwa 37 000 Menschen. Soichiro Honda überraschte das Beben in der Werkstatt, von der nur drei Balken und eine zerstörte Tür übrigblieben  - passiert ist ihm nichts. Er kletterte in einen Wagen und brachte ihn - und sich - in Sicherheit. Dies war seine allererste Fahrt und im Chaos der nächsten Wochen, hielt er die Shokai-Company am Leben.

Gemeinsam mit seinem Chef - alle anderen waren entweder tot oder bei ihren Familien - errichtete er eine Behelfswerkstatt unter einer Brücke. Als Nebenjob fungierte er als Taxifahrer und kutschierte kreuz und quer durch die zerstörte Stadt.  Die Familie Fujisawa überlebte zwar das Erdbeben, aber ihre Werbeagentur war verloren. Finanziell gesehen kam Hideshiro nicht mehr auf die Beine und sein Sohn Takeo hatte ebenfalls kein Glück. Takeo stand auf der Straße, sein Traum Lehrer zu werden war geplatzt. Schließlich fand er einen Job als Adress-Schreiber und konnte damit seine Familie und sich  über Wasser halten. 1934 fand endlich als Kaufmann eine Stelle bei Mitsuwa Shokai, einem kleinen Stahlhandel.

Entlang des Tamagawaflusses, der damals Tokios südliche Grenze bildete, fuhr Honda erste Rennen. Er besaß inzwischen ein Motorrad und es ging ihm prächtig. Meistens gewann er und sein Chef schickte ihn zurück nach Hamamatsu um eine Shokai-Niederlassung aufzubauen. Eine kleine Sensation ! Denn Honda war erst 21 Jahr jung und in Japan zählte nur das Alter. Die alteingesessenen Betriebe hatte er schnell im Griff. Er war einfach schneller und sorgfältiger und wenn es sein mußte, legte er auch Nachtschichten ein.

Soichiro Honda in den Dreißigern

Mit seinen Eigenbauten war er der erfolgreichste japanische Rennfahrer, verdiente mehr als 1000 Yen im Monat und besaß ein eigenes Auto, ein schönes Haus. Er war ein gemachter Mann und auch als Industrieller machte er sich einen Namen. Den meisten seiner Landsleute ging es deutlich schlechter - Honda war die Ausnahme. Im Japan der dreißiger Jahre waren nur die Chefs der großen Handelshäuser richtig reich. Während der Adress-Schreiber Takeo Fujisawa etwa 45 Yen und später als Stahlkaufmann 150 Yen im Monat verdiente, erhielt Honda 1931 ein Patent auf Stahlfelgen. Sie ersetzten immer mehr die bis dahin benutzten Holz-Speichenräder. Und weil es einfach keine vernünftigen Kolbenringe gab, gründete er im Februar 1937 die Tokai Seiki - die Fabrik für Kolbenringe. Und obwohl die ersten Ringe ein einziger Reinfall waren - Honda hatte nicht die geringste Ahnung von Werkstoffkunde und Gußtechnik - war er davon überzeugt, die Sache doch in den Griff zu bekommen. Bei einem Professor holte er sich Rat und erfuhr, dass seinem Gußstück Silikon fehlte. Honda hatte noch nie davon gehört. Ihm fehlte der theoretische Hintergrund und so drückte er noch einmal die Schulbank.

"Unter den Augen meines Professors verwandelte ich mich in einen mittelmäßigen Schüler auf den Bänken der Faulpelze. Von nun an ging ich jeden Morgen zur Schule und abends probierte ich in meiner Werkstatt praktisch aus, was ich gelernt hatte."



Fortsetzung folgt.....


Auszugsweise und mit eigenen Worten nacherzählter Bericht.



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